1. Stellungnahme

Unsere 1. Stellungnahme zum Entwurf des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) vom 31.03.2021

Wir sind eine Gruppe von Fotografen, die große Bedenken bei der geplanten Änderung des Urheberrechts haben. Wir erleben das Urheberrecht tagtäglich in der Praxis, es ist eine wichtige rechtliche Grundlage unserer Arbeit und sichert unsere Existenz. In den letzten Monaten haben wir uns intensiv in den Gesetzentwurf eingearbeitet und dabei auch fachliche Hilfe von unterschiedlichen Seiten erhalten.

Neben den vielen Stellungnahmen aus der Perspektive von Musiker:innen, Autor:innen, und Filmemacher:innen hat das Ministerium leider sehr wenig Rückmeldungen in Bezug auf das Medium Fotografie erhalten. So finden Besonderheiten und die Natur der Fotografie im Gesetzentwurf wenig Beachtung, obwohl die Anzahl der Werke und die Anzahl der Urheber:innen im Vergleich zu anderen Werkformen am höchsten ist.

Wir wollen uns hier auf Artikel 3 des Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes, das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (UrhDaG-E) konzentrieren, auch wenn noch weitere Passagen zu diskutieren wären.

Leider mussten wir den Eindruck gewinnen, dass es nicht um die Belange der Urheber:innen geht, sondern vielmehr darum, den nicht-kommerziellen Nutzer:innen (wer oder was auch immer das sein mag) einen unbeschwerten Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken aller Art zu ermöglichen. Die Plattformen sollen zukünftig bei unrechtmäßiger Nutzung zwar haften, können sich aber durch eine pauschale Lizenzierung freikaufen. Damit sollen die Fotograf:innen abgefunden werden, die zukünftig ihr Recht abgeben, darüber zu bestimmen, von wem und in welchem Kontext ihre Fotografien verwendet werden.

Über die zu erwartende Höhe der Lizenzgebühr gibt es bislang nicht einmal Spekulationen und die Erwartungen unsererseits sind gering. Wir lassen diese Frage erst einmal außen vor.

Wichtiger sind uns folgende Punkte:

Rechte Dritter

Die Grundidee des Gesetzentwurfes ist es offenbar, dass nicht-kommerzielle Nutzer:innen alle Werke auf den Plattformen der Diensteanbieter nutzen dürfen. Nutzer:innen und Diensteanbieter sollen Rechtssicherheit erhalten.

Bei der Fotografie als Werk ist aber häufig nicht nur das Urheberrecht relevant. Fotograf:innen als Urheber:innen haben häufig die Nutzungsrechte an ihren Werken, aber nicht immer alleine und uneingeschränkt.

Oft werden Bilder auch durch eine oder mehrere Fotoagenturen gleichzeitig vermarktet und es ist auch häufig der Fall, dass ein Kunde, der eine Fotoproduktion beauftragt hat, das ausschließliche Nutzungsrecht erwirbt. In diesem Fall bleiben Fotograf:innen zwar Urheber:innen, dürfen aber Dritten keine Nutzungsrechte erteilen.

So heißt es zum Beispiel in der Leistungsbeschreibung des Rahmenvertrages für die Erstellung von Fotoaufnahmen des Deutschen Bundestag in Punkt 12.7 „Der AN (Auftragnehmer) versichert, dass er allein berechtigt ist, über das Urheberrecht an dem Werk zu verfügen und dass er bisher keine den Rechtseinräumungen dieses Vertrages entgegenstehenden Verfügungen getroffen hat (insbesondere nicht gegenüber einer Verwertungsgesellschaft). Der AN steht dafür ein, dass er alle genannten Rechte in vollem Umfang wirksam auf die AG übertragen kann.“

Das wäre nach der geplanten Gesetzesänderung nicht mehr möglich.

Im Bereich professioneller Konzertfotografie erlauben Veranstalter/Künstler die Publikation oft nur für die aktuelle Berichterstattung und drohen mit hohen Vertragsstrafen. Werden solche Bilder umfangreich von Fans auf Plattformen verbreitet, kann das schwerwiegende Folgen für Fotograf:innen haben.

Die Lizenzierung von Nutzungsrechten wird auch häufig durch auf dem Bild lastende Rechte Dritter, wie z.B. Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen, Urheberrechte von z.B. Künstlern, Designern oder Architekten abgebildeter Objekte oder auch den Rechten von Eigentümern bei Aufnahmen außerhalb des öffentlichen Raumeseingeschränkt.

Die allermeisten Bilder werden zudem auch gar nicht von Berufsfotograf:innen erstellt, sondern von Jederfrau und Jedermann. Fotografieren war schon immer ist, aber erst recht in Zeiten von Smartphones eine Alltagshandlung – im Gegensatz zum Komponieren von Musik oder der Herstellung eines Spielfilms. Diese werden in aller Regel öffentlich aufgeführt und damit müssen die Rechte Dritter eigentlich geklärt sein.

Alle, die fotografieren, sind Urheber:innen und schaffen Werke, auf die das UrhDaG-E zutrifft. Viele dieser Bilder dürfen aber aufgrund der Persönlichkeitsrechte von abgebildeten Personen oder eben anderer Rechte gar nicht verwendet werden.

Plattformnutzer:innen wissen von all dem nichts und können einem irgendwo gefundenen Bild nicht ansehen, ob es mit Rechten Dritter belastet ist. Sie werden aber zukünftig davon ausgehen, dass alle Bilder genutzt werden würfen, denn genau das wird propagiert oder suggeriert.

Dem steht letztlich sogar die Strafandrohung des §201a StGB „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmenentgegen.

 

Wer wird bei einer Plattformhaftung für die Rechte Dritter haften?

Haften Urheber:innen, weil sie über die Verwertungsgesellschaften eine entsprechende pauschale Lizenz an die Plattformen vergeben haben? Oder doch die Nutzer:innen, weil sie ja die Bilder hochladen? Oder doch die Plattform, weil es ja eine Plattformhaftung gibt?

Oder gibt es in diesem Fall keine Persönlichkeitsrechte mehr?

 

Verwendung in fremdem oder falschem Kontext 

Für Fotograf:innen als Autor:innen ist es wichtig zu kontrollieren, in welchem Kontext ihre Bilder publiziert werden. Wer Menschen in Flüchtlingslagern oder anderen prekären Situationen fotografiert hat, wird nicht akzeptieren können, dass Nutzer:innen (egal ob kommerziell oder nicht) diese Bilder in einem völlig anderen Kontext publizieren, womöglich um Hass und Hetze zu verbreiten. Solche Fälle werden dafür sorgen, dass uns in einem sensiblen Umfeld kein Vertrauen mehr entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen ist aber vielfach die Arbeitsgrundlage von Fotojournalismus und professioneller Fotografie. Wir stehen gegenüber den Menschen, die uns Zugang gewähren, dafür ein, dass die Bilder, die wir machen, nur in einem wahrheitsgemäßen und authentischen Kontext verwendet werden.

Das BMJV unterschätzt offenbar den Anteil von Bildern, die aus unterschiedlichen Gründen besser von einer pauschalen Freigabe zur Nutzung ausgenommen wären. Sie dürfte weit höher sein als die Anzahl der Bilder, bei denen ungebremstes Teilen in sozialen Netzwerken kein Problem oder gar erwünscht wäre.

Was nun, wenn die Urheberin oder der Urheber entscheiden, dass ihre oder seine Werke von der Plattformlizenz ausgenommen werden sollen, die Nutzung also untersagt sein soll?

 

Unerlaubte Nutzung

Nur wenn Rechteinhaber:innen dies aktiv verlangen, soll der Diensteanbieter durch die sog. ”qualifizierte Blockierung” sicherstellen, dass ein Werk nicht öffentlich wiedergegeben wird – wenn die Urheberin oder der Urheber die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt (UrhDaG-E  §7 Abs.1).

Dieser Wechsel von der Rechtsnorm einer Opt-In Regelung (Fotograf:in erlaubt die Nutzung seines Werkes) zu einer Opt-Out Regelung (Fotograf:in muss widersprechen, wenn sie/er eine Nutzung ihres/seines Werkes nicht wünscht) wäre ein Paradigmenwechsel. Zukünftig müssen Urheber:innen aktiv werden, wenn sie an der Plattformlizenzierung nicht teilnehmen wollen oder können, und nicht die Personen, welche teilnehmen wollen und dann auch von den Ausschüttungen der Lizenzen profitieren würden.

Das wäre also nicht nur eine Beschneidung von Eigentumsrechten, sondern auch eine Umkehrung von elementaren Rechtsgrundsätzen.

Der Bundesrat schreibt in seiner Beschlussempfehlung vom 16.03.2021 (Drucksache 142/1/21) unter Punkt 27 b): „Der Bundesrat erinnert an die allgemeinen Beweisgrundsätze, wonach derjenige, der sich auf eine für ihn günstige Vorschrift beruft, nachweisen muss, dass ihre Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dementsprechend ist es zentrales Prinzip des Urheberrechts, dass derjenige, der eine Schranke in Anspruch nimmt, deren Voraussetzungen nachweisen muss. Dieses Prinzip wird durch § 9 UrhDaG in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Rechteinhaber darlegen und nachweisen muss, dass eine Nutzung nicht die Voraussetzungen für die gesetzliche Erlaubnis erfüllt.“

Bei Startup-Dienstleistern und kleinen Diensteanbietern entfällt selbst diese Notwendigkeit der qualifizierten Blockierung (UrhDaG-E §7 Abs. 4 und 5). Die Größe der Anbieter entscheidet also über die Rechte, welche den Urheber:innen zugebilligt werden.

 

Mutmaßlich erlaubte Nutzung

Es kommt aber noch schlimmer und es wird noch komplizierter. Im UrhDaG-E wurde der Begriff ”Mutmaßlich erlaubte Nutzung” kreiert. ”Mutmaßlich” ist juristisch ein sehr unscharfer Begriff. Hier aber wird er mit dem Ziel eingeführt, Blockierungen möglichst zu vermeiden (UrhDaG-E §9, Abs.1).

Bei Fotografien tritt dieser Fall ein, wenn die Dateigröße des Bildes kleiner als 125 Kilobyte ist (UrhDaG-E §10) und Bilder mit anderen kombiniert werden (also schon durch eine einfache Collage ohne eigene Schöpfungskraft, bei der mehrere Bilder zusammengefügt werden) oder wenn das Bild mit einem kommentierenden Text kombiniert wird. Letzteres wäre also schon der Fall, wenn das o.g. Bild aus dem Flüchtlingslager mit einem fremdenfeindlichen Kommentar versehen wird.

Die Dateigröße von 125 KB stellt keine Hürde dar, denn eine auf diese Größe komprimierte JEPG-Datei ist selbst für eine vollformatige Darstellung auf Computer- oder TV-Bildschirmen, aber erstrecht auf mobilen Endgeräten ausreichend. Größere Dateien sind oft auch gar nicht erwünscht, da sie die Ladezeiten verlängern, aber keinen nennenswerten qualitativen Vorteil haben. Im Gegensatz zu anderen Werken, gilt die ”geringfügige Nutzung” bei Bildern für das vollständigen Werk.

Das macht natürlich bei allen anderen Fragestellungen einen großen Unterschied.

Im Fall dieser ”mutmaßlich erlaubten Nutzung” wird eine Blockierung nicht mehr sofort wirksam, sondern das Bild bleibt erst einmal online, bis die Urheberin oder der Urheber nachgewiesen hat, dass das Blockierverlangen in diesem Fall rechtmäßig ist.

Für den Zeitraum der Klärung sind Diensteanbieter und Nutzer:innen aus der Verantwortung entlassen (UrhDaG-E §12 Abs. 2 und 3), der zeitliche und finanzielle Aufwand liegt wieder bei der Urheber:innen. Im Gegensatz zu diesem haben weder Nutzer:innen noch Plattformen negative Folgen zu befürchten. Im schlimmsten Fall wird das Bild letztendlich gelöscht, aber ein Aufwand ist den Nutzer:innen nicht entstanden.

Dieser Zeitraum des Beschwerdeverfahrens wird Nutzer:innen in einer aktualitätsbezogenen Debatte aber völlig reichen, um ihre Gedanken unter Zuhilfenahme von Bildern Dritter zu verbreiten. Der Schaden entsteht sofort und ist auch durch eine nachträgliche Löschung nicht mehr rückgängig zu machen.

Die gesamte Idee der ”mutmaßlich erlaubten Nutzung” ist in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen und sie widerspricht auch der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001. Hier ist in Art. 3 Abs. 1 festgeschrieben, „dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

 

Werkverzeichnis

Die für die Blockierung nötigen ”erforderlichen Informationen” (UrhDaG-E §7 Abs.1) können im Falle eines Fotos nur das Foto selbst sein. Es müsste also ein Werkverzeichnis aller Bildwerke entstehen, die blockiert werden sollen. Private wie professionelle Urheber:innen betrifft das gleichermaßen. Wer ein ungebremstes Teilen seiner Bilder durch unbekannte Dritte in fremden Zusammenhängen verhindern will (oder aufgrund von Vereinbarungen mit Dritten muss) und die Blockierung der Motive bei den Diensteanbietern beantragt, muss also seine Bilder in ein entsprechendes Werkverzeichnis einstellen.

Ein Opt-Out Werkverzeichnis bedeutet, dass der Aufwand für das Einstellen in das Verzeichnis und auch das Klären von Streitigkeiten bei der Urheberin oder dem Urheber liegt. Dieses Werkverzeichnis kann aber nicht einmal zu einer gerechten und fairen Verteilung der Lizenzerlöse beitragen, da ja nur die Bilder erfasst werden, die nicht verwendet werden dürfen.

Ein Opt-In Werkverzeichnis, in dem alle Werke verzeichnet sind, die von nicht-kommerziellen Nutzer:innen frei verwendet werden dürfen und somit auch lizenziert werden, würde hingegen bedeuten, dass der Aufwand für das Hochladen der Bilder bei den später durch die Lizenzen Begünstigten liegt und auch eine gerechte Verteilung der Lizenzgelder möglich wäre. Auch für die den Bereich der kommerziellen Nutzungen könnte so ein Werkverzeichnis hilfreich für die Lizenzierung und die Verfolgung von Lizenzverstößen sein.

In beiden Fällen stellt sich aber die Frage, wer dieses Werkverzeichnis betreiben soll und wie mit den unzähligen Bildern aus der Vergangenheit zu verfahren wäre. Vielfach liegen diese gar nicht digital vor.

Die technische Umsetzbarkeit eines Werkverzeichnisses an sich steht außer Frage, für Filmwerke gibt es das ja bereits.

 

Lizenzierung von Werken Außenstehender

Für das Opt-In Werkverzeichnis spricht auch, dass nicht-professionelle Hobbyfotograf:innen als Urheber:innen natürlich auch ein Anrecht auf Ihren Anteil an den Lizenzerlösen haben. Auch (und gerade) Fotografien von Hobbyfotograf:innnen werden auf den Plattformen sehr häufig verbreitet, manchmal unfassbar häufig geteilt. Gleiches gilt natürlich für professionelle Fotograf:innen, die nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind.

Im Verwertungsgesellschaftengesetz werden die Hobbyfotograf:innen und andere Nicht-Mitglieder ”Außenstehende” genannt ($7 a VGG-E). Diese Personen können aber von Ausschüttungen nicht profitieren, solange sie den Verwertungsgesellschaften nicht bekannt sind. Bei der übergroßen Anzahl von berechtigten Hobbyfotograf:innen wäre völlig unklar, wie es zu einer gerechten Verteilung kommen soll. Korrekterweise müssten Rückstellungen für die Ansprüche dieser Außenstehenden gebildet werden, deren Höhe aber kaum zu beziffern wären, da ja jede Bürgerin und jeder Bürger, welche mit Smartphone fotografiert, sie geltend machen könnte.

 

Autonomie der Urheber gegenüber den Verwertungsgesellschaften

Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst hat bis vor kurzem lediglich Bibliothekstantiemen, Kopiervergütung, Pressespiegelvergütung, Lesezirkelvergütung, usw. an Ihre Mitglieder verteilt. Diese sind durch die von Urheber:innen bereits lizenzierten Nutzungen angefallen, es sind keine Vergütungen für neue Nutzungen.

Viele Urheber auch anderer Branchen wollen nicht, dass die Verwertungsgesellschaften zukünftig Lizenzen für neue Nutzungen vergeben und somit zu einer Art Agentur werden.

Wir wollen selbst über Honorare verhandeln oder dies Bildagenturen unseres Vertrauens überlassen, wir wollen und benötigen Kontrolle über die Verwendung unserer Werke. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst kann diese Kontrolle nicht gewährleisten. Eine Art GEMA der Fotografie wird von uns abgelehnt.

Auch der Bundesrat schreibt in seiner Beschlussempfehlung vom 16.03.2021 (Drucksache 142/1/21) unter Punkt 25: „Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass der Anspruch auf Vergütung für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke nach § 5 Absatz 2 Satz 2 und § 12 Absatz 1 Satz 2 UrhDaG nicht vom Urheber selbst, sondern nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Der Bundesrat befürchtet aufgrund der Schnelllebigkeit der digitalen Welt negative wirtschaftliche Folgen für Urheber und Rechteinhaber und bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um eine Öffnung der einschlägigen Regelungen.“

Wertschöpfung erfolgt jetzt und zukünftig in Form der Vergabe von Nutzungsrechten. Wir wollen unsere Fotografien selbst- und eigenständig vermarkten. Es muss uns weiterhin möglich sein, unsere Rechte in einer digitalen Welt im Jahr 2021 selbst wahrzunehmen und durchzusetzen. Dazu brauchen wir geeignete Rechtsrahmen und eine Politik, die uns den Rücken stärkt.

Wenn wir die Lizenzierung anderen überlassen, wird es uns gehen, wie Musikerinnen und Musikern: Hier verdienen die Plattformen Apple Music, Spotify, Amazon Prime Music, Deezer, Google Play Music usw. Milliardenbeträge. Die Künstler:innen aber werden mit Almosen abgespeist, müssen ihren Lebensunterhalt mit Konzerten und Fanartikeln, häufig noch mit einem anderen Job bestreiten. Abgesehen davon, dass Fotografen:innen keine mit einem Konzert vergleichbare Events veranstalten können und auch der Verkauf von Fanartikeln nicht einträglich sein wird, wollen wir das nicht. Es wäre das Ende unseres wirtschaftlichen Modells, und des Beitrages von professioneller Fotografie zur Kultur.

 

Abgrenzung kommerzielle Nutzung und nicht-kommerzieller Nutzung

Im UrhDaG-E geht es immer um ”nicht kommerzielle Nutzung” (UrhDaG-E §9 Abs. 1). Dieser Begriff ”nicht kommerziell” (wie auch ”keine erheblichen Einnahmen”) ist jedoch nicht weiter definiert.

Von „Privatpersonen“ ist im UrhDaG-E nicht die Rede. In den Erläuterungen heißt es in II. 1. d): ”Diese Erstreckung der vertraglichen Erlaubnis gilt indes nur, sofern der Nutzer nicht kommerziell handelt oder mit seiner kommerziellen Tätigkeit keine erheblichen Einnahmen erzielt.”.

Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Rechtsprechung an der Definition des sog. Playboy-Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 18.09.2016 orientiert. Hier ist im Zusammenhang mit dem Setzen von Hyperlinks die Rede von „Gewinnerzielungsabsicht“. Vereine, Verbände, Stiftungen, Parteien, Parteien und Behörden dürfen gar keine Gewinnerzielungsabsicht haben. Sie bräuchten zukünftig die Verwendungen von Werken auf Ihren Social Media Profilen nicht mehr gegenüber der Urheberin oder dem Urheber honorieren, weil diese über die von den Plattformen gezahlten Lizenzgebühren (in sicherlich viel geringerer Höhe) abgegolten wären.

Auch hier geht es uns nicht nur um ein angemessenes Honorar, sondern auch um die bereits oben erläuterten Rechte Dritter gegenüber diesen nicht-kommerziellen Nutzer:innen oder Nutzer:innen ohne Gewinnerzielungsabsicht, die keine Privatpersonen sind.

Hier muss eine klare Abgrenzung zugunsten der selbstbestimmten Kontrolle über die Werke durch die Urheber:innen erfolgen.

 

Urhebernennung und IPTC-Daten

IPTC-Daten (auch Metadaten genannt) sind Bestandteil der meisten Bildformate. Auch bei Smartphone Fotos sind hier die Aufnahmedaten, Aufnahmezeit- und Ort gespeichert. Hier lassen sich auch Name und Kontaktdaten der/des Urheber:in, sowie Nutzungsrechte und Freigaben hinterlegen. Professionelle Fotograf:innen geben hier alle Informationen zum Bild ein, also auch was oder wer auf der Aufnahme zu sehen ist, und diese Informationen werden von Redaktionssystemen eingelesen.

Die IPTC-Daten sind Teil des Werkes, Voraussetzung für die im Urhebergesetz geforderte Benennung der Urheberschaft und müssen geschützt werden.

Bei einem Gemälde würde auch niemand den Namen des Malers entfernen – die IPTC-Daten entsprechen genau diesem Signet des Malers auf seinem Bild.

Social Media Plattformen löschen aber in aller Regel diese Informationen vollständig. Das geschieht derzeit unter der fadenscheinigen Begründung des Datenschutzes, führt aber dazu, dass bei hochgeladen Werke die Urheber:innen nicht mehr zu ermitteln sind.

Bilder werden so zu verwaisten Werken gemacht und der Grundsatz, dass Urheber:innen zu benennen sind, wird grob missachtet, bzw. unmöglich gemacht.

Die Urhebernennung ist ein Grundpfeiler des Urheberrechts, Fotografenverbände haben immer wieder erfolgreich dafür gestritten, aber auf den Social Media Plattformen ist er nicht vorgesehen, obwohl er leicht automatisiert generiert werden könnte.

Wer wird nun im Rahmen der Plattformhaftung für die Urhebernennung verantwortlich sein?

Wir fordern die korrekte Urhebernennung und den vollständigen Erhalt der IPTC-Daten durch die Plattformbetreiber.

Urheberrechte vs. Meinungsfreiheit bei Fotos

Wir glauben nicht, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, wenn Nutzer:innen Bilder nicht ohne Erlaubnis der Urheberin oder des Urhebers verwenden dürfen.

Gerade bei Bildern ist die Gefahr groß, dass sie ohne Zusammenhang mit dem ursprünglichen Kontext in einem neuen, eventuell gegenteiligen Kontext verwendet werden. Musik oder Text hingegen stehen viel stärker für sich selbst, sind schwerer umzuinterpretieren.

Das legale Verlinken, bei dem das Bild (außer beim sog. Deep-Linking, bei dem u.U. gar nicht erkennbar ist, dass verlinkt wurde, weil keine Seite, sondern das Bild direkt verlinkt wird), im ursprünglichen Kontext bliebe, bietet bereits heute viele Möglichkeiten und ist übliche Praxis.

Tatsächlich ist ja eine Meinungsäußerung inhaltlich nur selten von der Nutzung von Werken Dritter abhängig, vielmehr geht es in der Regel lediglich darum, Beiträge mit Bildern zu schmücken.

Geht es bei der Meinungsäußerung um das Bild selbst, bietet das Zitatrecht schon heute viele Möglichkeiten.

Die Meinungsfreiheit kann also nur bedingt als Argument für die Gesetzesänderung herangezogen werden.

Lösungsansatz

Der Gesetzgeber begibt sich in ein Dilemma, wenn er den Nutzer:innen vollständige Nutzung gewähren will, aber dabei die Urheber:innen und deren Werke schützen sowie auch die Rechte  Dritter nicht ignorieren möchte.

Grundsätzlich sinnvoll wäre es, die Nutzer:innen für die Rechte der Urheber:innen und Dritter zu sensibilisieren, wie sie abseits der Social Media Plattformen ja auch gelten. Jeder ist sich darüber bewusst, dass es nicht erlaubt ist, sich Dinge anzueignen, die Anderen gehören.

Zukünftig könnte die in den IPTC Daten enthaltenen Informationen über die Urheberin oder den Urheber und die Freigabe oder Nicht-Freigabe angezeigt werden, wenn Nutzer:innen Bilder hochladen möchten.

Bei fehlender Freigabe könnte kein Upload erfolgen.

Ist die Nutzerin oder der Nutzer selbst Urheber:in, könnte sie oder er den gewünschten Urhebernachweis eingeben und die gewünschte Freigabe (nur die Urheberin oder der Urheber selbst darf das Bild publizieren oder auch andere dürfen das Bild publizieren, nicht-kommerziell oder auch kommerziell, Creative Commons Lizenz, nur durch direkte ”Freunde”, usw.) erteilen.

Eventuell könnte auch eine automatisierte Anfrage bei Urheber:in oder Rechteinhaber:in für eine Freigabe erfolgen und dieser könnte zum Beispiel gegen Micro-Payment, also einzelne Cent oder Bruchteile davon, erfolgen. Es wäre sicher möglich, die IPTC-Informationen fest mit dem Bild zu verbinden, um unrechtmäßige Änderungen durch Dritte zumindest zu erschweren, ein sog. Screenshot, also eine Kopie des Bildes als neues Bild wäre natürlich immer noch möglich – wie ein gewöhnlicher Diebstahl im echten Leben.

Nur noch in solchen Fällen müsste die Urheberin oder der Urheber seine Urheberschaft über die Originaldatei nachweisen. Dieses Verfahren käme erstmal ohne ein Werkverzeichnis aus und es wäre für die Plattformen leicht umzusetzen.

Die Lizenzierung im Bereich Fotografie über die Verwertungsgesellschaften mit hohem Aufwand und geringen Erträgen könnte entfallen, es würde ohne Umwege direkt zwischen Nutzer:in und Urheber:in oder auch zwischen Diensteanbietern und Urheber:in zu einer Einigung kommen, gerecht, fair, ohne bürokratischen Überbau und Verteilungsungerechtigkeiten.

Auf diese Art könnten die Möglichkeiten zur Direktvermarktung durch die Urheber gestärkt werden.

Soll an den Plattformlizenzen festgehalten werden, könnten diese die Gelder fair verteilen, da das oben beschriebene Verfahren die benötigten Daten über die Nutzungshäufigkeit zur Verfügung stellen könnte.

Schlussgedanken

Wir glauben, dass ein Gesetz, bei dem schon professionelle Urheber:innen sehr viel Zeit investieren müssen, um die Folgen zu verstehen, nicht geeignet ist, Nutzer:innen über die Rechtmäßigkeit Ihres Handelns durch sog. „Flagging“ selbst entscheiden zu lassen.

Wichtig wäre, dass Anreize entstehen, neue Werke zu schaffen und sich aber auch mit den Rechten des Urhebers auseinander zu setzen.

Uns geht es hier nicht nur um unsere berufliche Existenz, sondern auch um den Erhalt einer Kulturform.

Jede/r sollte sich darüber bewusst werden, dass sie/er selbst auch ein/e Urheber:in ist.

Wir bitten die zuständigen Politikerinnen und Politiker, unsere Bedenken und Sorgen in der Diskussion um das für uns existenzielle Urheberrecht ernst zu nehmen.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Wir danken den vielen Unterstützer:innen, besonders den Rechtsanwält:innen Dr. Diana Ettig, Henning Fangmann (www.www.spiritlegal.com) und Verena Rheker-Heerde (www.rheker-heerde.de) für die Unterstützung in juristischen Fragen.

Und wir freuen uns über Fragen, Anregungen, Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen.

Wenn Ihr mit Eurem Namen für diese Sache stehen wollt, dann könnt Ihr das hier.

Bitte verbreitet diese Stellungnahme.

Heiner Müller-Elsner, www.mueller-elsner.de

Sascha Rheker, www.sascharheker.com

Florian Sonntag, www.floriansonntag.com

Marco Urban, www.marco-urban.de

Jan-Frederik Wäller, www.waeller.info

Kontakt: info@fotografie-hat-urheber.de

Foto: © Sascha Rheker